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Anordnung der Sicherungsverwahrung neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe -sinnvoll?

Kann neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe auch die Sicherungsverwahrung angeordnet werden? Diese Frage ist seitens der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt und wurde bejaht. Aber ist eine solche Anordnung auch sinnvoll, bzw. kann hierdurch die Strafvollstreckung gegen den Verurteilten verfestigt werden?

Das Gesetz unterscheidet zunächst zwischen der zeitigen und der lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 38 StGB). Das Mindestmaß der Freiheitsstrafe beträgt einen Monat. Die Höchstgrenze der zeitigen Freiheitsstrafe ist nach § 38 Abs.2 StGB 15 Jahre. Diese Höchstgrenze gilt auch für den Fall der Verhängung einer Gesamtstrafe (§ 54 Abs.2 S.2 StGB). Die lebenslange Freiheitsstrafe ist im Strafgesetzbuch nur für den Mord (§ 211 StGB) und den besonders schweren Fall des Totschlags (§ 212 Abs. 2 StGB) angedroht. Jedoch muss auch der zu einer lebenslangen Haft Verurteilte eine konkrete und grundsätlich realisierbare Chance haben, die Freiheit wiederzugewinnen (vgl. BVerfG, 03.06.1992 – 2 BvR 1041/88). Die lebenslange Freiheitsstrafe ist auch verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, 21.06.1977 – 1 bvL 14/76). Gem. § 57a StGB kann das Gericht die Vollstreckung des Rests der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn 15 Jahre verbüßt sind, die besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt wurde, die eine weitere Vollstreckung gebietet und dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann.

Da diese Möglichkeit der Bewährungsaussetzung gesetzlich vorgesehen ist, wird argumentiert, dass dieser Möglichkeit mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung entgegengewirkt werden solle, um eine frühzeitige Entlassung zu verhindern.

Die Sicherungsverwahrung ist gem. § 66 Abs. 1 StGB neben der Freiheitsstrafe anzuordnen, wenn die dafür erforderlichen formellen Voraussetzungen vorliegen und die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters die Anordnung seiner Unterbringung im Zeitpunkt der Entscheidung nötig macht (Kumulationsprinzip, vgl. LK-StGB/Hanack, 11. Aufl., vor §§ 61 ff. Rn. 65). Auf die einzelnen Voraussetzungen soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden.

Grundsätzlich ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 66 Abs. 1 StGB rechtmäßig, kommt jedoch gem. § 66 Abs. 2 StGB nicht stets und ohne weiteres in Betracht (vgl. BGH, Urteil v. 25.07.2012 – Az.: 2 StR 111/12).

Zwar steht der Umstand, dass die Vollstreckung der vor der Unterbringung zu vollziehenden lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß § 57a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur zur Bewährung ausgesetzt werden darf, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann und ein für die Allgemeinheit gefährlicher Täter deshalb im Vollzug zu verbleiben hat, der Maßregelanordnung  der Sicherungsverwahrung nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2013, Az.: 4 StR 124/13). Jedoch wird es aufgrund der insoweit vergleichbaren Bewertungsmaßstäbe kaum je der Fall sein, dass nach § 57a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB eine Aussetzung des Vollzugs der lebenslangen Freiheitsstrafe verantwortet werden kann, aber die nach § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB vorzunehmende Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass der Zweck der Maßregel (Verhütung hangbedingter rechtswidriger Taten) eine Unterbringung weiterhin erfordert (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 – 3 StR 330/12, Rn. 6; Urteil vom 25. Juli 2012 – 2 StR 111/12).

Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Verurteilte weiterhin lebenslange Freiheitsstrafe und nicht die Maßregel zu verbüßen hat, wenn er auch nach der Mindestverbüßungsdauer noch als gefährlich einzuschätzen ist. Insoweit handelt es sich materiell um einen vergleichbaren Maßstab wie bei der Beurteilung der materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Daher kann deren Anordnung neben lebenslanger Freiheitsstrafe kaum praktische Bedeutung entfalten (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. März 2012 -5 StR 57/12).

Schließlich entsprechen auch die verfahrensrechtlichen Anforderungen, die bei der Prüfung zu beachten sind, ob der Rest einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StPO) denjenigen, die das Gesetz für die Prüfung der Frage vorsieht, ob gemäß § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB nach Ende der Strafverbüßung eine im Urteil angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach dem Zweck der Maßregel noch erforderlich ist (§ 463 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 i.V.m. § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StPO, vgl. BGH, Urt. v. 25.07.2012, Az.: 2 StR 111/12). Zur Beantwortung dieser Frage holt das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen ein. Dieser soll sich zu der Frage äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Dieses Gutachten beinhaltet demnach eine Gefährlichkeitsprognose über den Verurteilten. Es ist daher schlichtweg ausgeschlossen, dass eine Prognose auf der einen Seite im Hinblick auf die lebenslange Freiheitsstrafe positiv ausfällt und auf der anderen Seite im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Maßregel hingegen hiervon abweicht. Denn die Prognosekriterien sind dieselben.

Hinzu kommt, dass auch die dem Schuldausgleich dienende Strafhaft und der schuldunabhängige präventive Freiheitsentzug der Sicherungsverwahrung unterschiedliche Zwecke verfolgen und sich grundlegend in ihrer verfassungsrechtlichen Legitimation unterscheiden (vgl. BVerfGE 130, 372, 389, BVerfG 27.03.2012 – 2 BvR 2258/09). Daher kann zwar ihre Anordnung wegen der Zweckverschiedenheit auch nebeneinander erfolgen, hierbei gelten jedoch kategorial verschiedene Voraussetzungen, die getrennt voneinander zu beurteilen sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 365; Urteil vom 27. Oktober 1970 – 1 StR 423/70, BGHSt 24, 132, 133 f.).

Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe zwar rechtlich möglich, jedoch im Rahmen der Vollstreckung nicht sinnvoll ist. Die dem Schuldausgleich dienendet Strafhaft bleibt solange eine lebenslang zu vollstreckende Freiheitsstrafe, bis dem Verurteilte im Rahmen der Begutachtung eine positive Prognose bescheinigt wird, was wiederum das Gericht dazu bewegen kann, eine Strafaussetzung zur Bewährung zu beschließen. Hingegen wird eine schuldunabhängige präventive Freiheitsentziehung dann nicht für erforderlich seitens des Gerichts angesehen werden, wenn das hierzu erforderliche Prognosegutachten eine Gefährlichkeit des Verurteilten nicht mehr feststellt.

Nebenbei bemerkt, kann ich aus meiner bisherigen Erfahrung in Strafvollstreckungsverfahren bestätigen, dass eine Bewährungsaussetzung bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe selbst bei nicht festgestellter Schwere der Schuld nicht ohne Weiteres nach 15 Jahren möglich ist. Vielmehr ist dies ein langer Weg für die Verurteilten, um insbesondere dem Schuldausgleich gerecht zu werden. Im Gegensatz hierzu ist jedoch die Sicherungsverwahrung keineswegs so ausgerichtet, dass sie eine lebenslange präventive Verwahrung ermöglichen soll, sondern vielmehr gilt hier das Ultima Ratio Prinzip und die durch die Neuregelung der Vorschriften erfolgte Neuausrichtung des Zweckes der präventiven Sicherungsverwahrung. Die Erforderlichkeit des Antritts ist vielmehr zu vermeiden, was dazu führt, dass bereits der Strafvollzug hierauf ausgerichtet sein muss, um mit dem Verurteilten therapeutisch zu arbeiten, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Für den Fall des Antritts der Sicherungsverwahrung soll jede Möglichkeit genutzt werden, um diese Maßregel so schnell es geht wieder zu beenden. Schon aus diesem Gesichtspunkt ist eine Anordnung der Sicherungsverwahrung neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht zweckmäßig.

Ein Kommentar

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„Es ist nicht schlimm hier drin zu sein, schlimm ist, wenn man für etwas hier ist, was man nicht getan hat“ (Zitat Mandant)

Gedanken zum Strafvollzug
Was passiert eigentlich im Vollzug? Eins steht fest, wenn ein Mandant zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ist sein Wunsch, den Strafvollzug erst gar nicht an zu treten, oder wenn, dann so schnell wie möglich wieder zu beenden. Hier gibt es verschiedene Modelle. Hat der Verurteilte ein Drogenproblem, ist das Mittel der Wahl die Zurückstellung der Strafe gem. § 35 BtMG. Dies ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, insbesondere jedoch, dass zum Tatzeitpunkt Drogenmissbrauch vorlag und nur noch 2 Jahre zu verbüßen sind. Es hilft also nicht, später sich den Drogen zuzuwenden in der Hoffnung auf einen Therapieplatz, denn das ist unbeachtlich. Bei starker Alkoholabhängigkeit kommt auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht. Dies wird per Sachverständigengutachten festgestellt. Die Regeln in einer Entziehungsanstalt sind sehr streng und der Verurteilte muss sich gegenüber der Therapie öffnen können, damit ein Erfolg verzeichnet werden kann. Dies ist nicht jedem in gleicher Weise möglich, weshalb auch schon einmal die Unterbringung unterbrochen wird. Dabei sind die Freiheiten, die man in der Entziehung genießt dann doch größer und falls man ernsthaft eine Therapie anstrebt auch die Möglichkeiten wesentlich besser, als im Normalvollzug. Für Täter, die wegen eines Sexualdelikts verurteilt wurden steht zumeist die Sozialtherapie offen. Bedingung ist jedoch die Ernsthaftigkeit und der Therapiewillen. Auch dürfen keine psychiatrischen Krankheitsbilder vorliegen, weshalb es Verurteilte mit einer stark ausgeprägten Persönlichkeitsstörung oder gar psychopathischem Erkrankungsbild nicht schaffen an dieser Maßnahme teilzunehmen. Selbst jedoch dann, wenn man dann aufgenommen wird ist es nicht garantiert, dass man es schafft die Sozialtherapie zu durchlaufen. Der Verurteilte muss im Stande sein, mit den anderen Teilnehmern für einen längeren Zeitraum zusammen zu sein und während der Therapie sich über das innerste Erleben mitzuteilen. Keineswegs eine einfache Aufgabe. Was dann bleibt sind Angebote wegen Schuldenberatung, gesundes Essen oder das beliebte Antiaggressionstraining. Bei erfolgreicher Teilnahme kann hier der Gefangene selbst als AGT-Trainer agieren, was das Selbstvertrauen enorm stärkt. Die meisten Teilnehmer dieser Therapie sind nach erfolgreichem Abschluss stolz darauf, wenn sie es endlich geschafft haben einen Weg zu finden, mit dem Aggressionspotenzial umzugehen. Selbstverständlich gibt es auch psychologische Gespräche, jedoch ist die Auswahl der zur Verfügung stehenden Psychologen zumeist auf einen „Hauspsychologen“ begrenzt, weshalb das erforderliche Vertrauen für ein so intimes Gespräch kaum aufgebracht werden kann. Da ohne Vertrauen eine Öffnung kaum möglich ist, führen solche Gespräche bei vielen Teilnehmenden ins Leere. Viele vertrauen sich eher dem sog. „Vertauensbeamten“ an, gerade bei Verurteilten, die einen sehr langen Weg im Strafvollzug vor sich haben, kann sich eine starke Bindung entwickeln, da man über Jahre hinweg eine Beziehung aufbaut.
Was sind das für Menschen im Strafvollzug? Ganz Normale. Oder sie hätten vielleicht, wenn sich ihr Leben anders entwickelt hätte ein ganz normales Leben geführt. Und da ist man wieder bei der sog. „schwierigen Kindheit“. Ja, es gibt sie tatsächlich. Ein Phänomen, sozusagen. Oft muss ich darüber nachdenken, ob nicht der ein oder andere Mörder, Vergewaltiger oder ein wegen einer anderen schweren Tat Verurteilter vielleicht auch ein sog. Durchschnittsbürger hätte werden können. Ich bin mir sicher, dass dies bei Einigen zutrifft. Wenn ich mir die Biografien von einigen meiner Mandanten durchlese kann man es sich kaum vorstellen, dass in unserer doch zivilisierten Gesellschaft noch zu solchen Fehlentwicklungen kommen konnte. Es ist wirklich wichtig auf die Jüngsten in unserer Gesellschaft ein besonderes Augenmerk zu richten und Auffälligkeiten schnell zu erkennen und zu beheben. Das Leid, das viele der später Verurteilten selbst erlebt haben, geben sie dann unverarbeitet an ihre Opfer weiter. Ja, hierin ist der Sinn des Strafvollzuges. Ziel ist ja wohlbekannt die Resozialisierung der Täter. Leider wird hier eine Menge gespart. Es sollten mehrere Psychologen zur Verfügung stehen, damit dieses Ziel tatsächlich auch erreicht werden kann. Erst jetzt hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtswidrigkeit der Vorschriften über die Sicherungsverwahrung erkannt. Positiv formuliert: besser jetzt als nie. Nunmehr wird in die Sicherungsverwahrung investiert, aber es gibt auch noch die normalen Strafgefangenen, die lebenslang „verwahrt“ werden, ohne zu den „SV“-lern zu gehören.
Wir als Gesellschaft haben meines Erachtens die Pflicht auch für deren Resozialisierung zu sorgen. Es ist ein schwieriger Weg und wird von den meisten Menschen sehr kritisch gesehen. Weshalb in jemanden investieren, der es nicht anders verdient, fragen sich viele. Weil wir eine zivilisierte Gesellschaft sind und Rechtsstaatlichkeit groß schreiben. Und weil wir als Gesellschaft davon profitieren, wenn jemand nach langjährigem Strafvollzug resozialisiert an unserem bürgerlichen Leben teilnimmt ohne eine Gefahr für uns darzustellen. Dies ist auch der Grund, weshalb es notwendig ist Lockerungen und ein Wiedereingewöhnen in das normale Leben zu gewährleisten. Wenn ein Mensch ohne jegliche Zurückgewöhnung entlassen wird, d.h. mit Endstrafe, hat er seine Strafe zwar verbüßt, eine alternative Lebensform ist ihm jedoch nicht aufgezeigt worden. Die Theorie ist wunderbar, aber wie schnell der Rückfall in die gewohnten Verhaltensmuster ist, zeigen die Auszüge aus dem Bundeszentralregister der immer wieder Verurteilten, wo die gesammelten Vorstrafen auftauchen. Die Angst vor einer weiteren Verurteilung hält nur die Wenigsten von einer weiteren Tatbegehung ab. Ein „SV“-ler formulierte es so:

um mich an die Geschehnisse in meinem Leben zu erinnern, orientiere ich mich an meinem Bundeszentralregisterauszug.

Die Idee des Strafvollzuges sollte der Neuanfang sein, nicht lediglich das Absitzen. Es gibt mit Sicherheit Straftaten die eine Freiheitsstrafe erfordern, dies ist gesetzlich ja auch so vorgesehen. Aber mit der Aburteilung ist das Problem nicht gelöst. Denn die Aufgabe beginnt erst jetzt. Hierin liegt die Rechtfertigung für den sinnvollen Strafvollzug, denn die Idee ist, dass jeder Straftäter einmal in die Freiheit entlassen wird, auch ein zu lebenslanger Haft verurteilter. Daher ist eine Investition in den Strafvollzug keineswegs eine Fehlinvestition sondern eine Notwendigkeit in einer zivilisierten Gesellschaft.

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