Archiv der Kategorie: Europäisches Strafrecht

Zur Frage der Haftbedingungen im Ausstellungsstaat und deren Überpüfbarkeit durch die vollstreckende Behörde im Rahmen der Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls

Am 30.04.2019 wurden die Schlussanträge des Generalanwalts Manuel Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache C‑128/18 des Dumitru-Tudor Dorobantu in dem Vorabentscheidungsersuchen des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg gehalten.

Bereits mit Urteil v. 05.04.2016, Az. C-404/15 u. C-659/15 hat der EuGH entschieden, dass die vollstreckenden Behörden zunächst Informationen über die zu erwartenden Haftbedingungen anfordern müssen

LTO berichtete hier: EuGH zu Haftbefehlen aus Ungarn und Rumänien Gericht muss Haft­be­din­gungen über­prüfen

Am 25.07.2018 hat der EuGH  mit Urteil in der Rechtssache C-220/18 im Hinblick auf die Haftbedingungen in Ungarn entschieden,

  1. dass, selbst wenn ein Ausstellungsmitgliedstaat – wie Ungarn seit Anfang 2017 – Rechtsschutzmöglichkeiten vorsieht, die es ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Haftbedingungen im Hinblick auf die Grundrechte zu überprüfen, die vollstreckenden Justizbehörden weiterhin verpflichtet sind, die Situation jeder betroffenen Person individuell zu prüfen, um sich zu vergewissern, dass ihre Entscheidung über die Übergabe dieser Person diese nicht aufgrund dieser Bedingungen einer echten Gefahr aussetzt, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erleiden.
  2. dass die vollstreckenden Justizbehörden, die über die Übergabe einer Person zu entscheiden haben, gegen die ein Europäischer Haftbefehl ergangen ist, konkret und genau prüfen müssen, ob unter den konkreten Umständen eine echte Gefahr besteht, dass diese Person im Ausstellungsmitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
  3. dass diese Behörden nur verpflichtet sind, die Haftbedingungen in den Haftanstalten zu prüfen, in denen die betroffene Person nach den dieser Behörde vorliegenden Informationen, sei es auch nur vorübergehend oder zu Übergangszwecken, konkret inhaftiert werden soll. Die Vereinbarkeit der Haftbedingungen in anderen Haftanstalten, in denen die Person gegebenenfalls später inhaftiert werden könnte, mit den Grundrechten fällt in die alleinige Zuständigkeit der Gerichte des Ausstellungsmitgliedstaats.
  4. dass die vollstreckende Justizbehörde nur die konkreten und genauen Haftbedingungen der betroffenen Person prüfen muss, die relevant sind, um zu bestimmen, ob diese einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein wird. So sind die Religionsausübung, die Möglichkeit zu rauchen, die Modalitäten der Reinigung der Bekleidung sowie die Installation von Gittern oder eines Sichtschutzes vor den Fenstern der Zellen grundsätzlich Aspekte der Haft, denen keine offensichtliche Bedeutung zukommt.

Jedenfalls muss die vollstreckende Justizbehörde, wenn sie es für erforderlich erachtet, die ausstellende Justizbehörde um unverzügliche Übermittlung zusätzlicher Informationen zu den Haftbedingungen zu bitten, sicherstellen, dass ihre Fragen nicht nach Anzahl und Umfang dazu führen, dass die Funktionsfähigkeit des Europäischen Haftbefehls lahmgelegt wird, der gerade bezweckt, die Übergaben im gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu beschleunigen und zu erleichtern.

  1. weiter muss sich die vollstreckende Justizbehörde, wenn die ausstellende Justizbehörde zusichert, dass die betroffene Person unabhängig von der Haftanstalt, in der sie im Ausstellungsmitgliedstaat inhaftiert werden wird, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung aufgrund ihrer konkreten und genauen Haftbedingungen erfahren werde, in Anbetracht des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, auf dem das System des Europäischen Haftbefehls beruht, auf diese Zusicherung zumindest dann verlassen, wenn keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Haftbedingungen in einer bestimmten Haftanstalt gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verstoßen.

Geht diese Zusicherung wie in der vorliegenden Rechtssache nicht von einer Justizbehörde aus, so ist die Garantie, die eine solche Zusicherung darstellt, durch eine Gesamtbeurteilung aller der vollstreckenden Justizbehörde zur Verfügung stehenden Informationen zu würdigen.  (siehe PRESSEMITTEILUNG Nr. 114/18 )

In einem weiteren Auslieferungsverfahren betreffend die rumänischen Haftbedingungen hat das OLG Hamburg im Vorabentscheidungsverfahren Rechtssache C‑128/18 weitere Fragen zur Klärung vorgelegt (LTO berichtete hier:EuGH verhandelt über Haftbedingungen in der EU Wann ist eine Zelle men­schen­würdig? .

Die aufgeworfenen Fragen wurden jetzt seitens des Generalanwalts Manuel Campos Sánchez-Bordona in seinen Schlussanträgen am 30.04.2019 wie folgt beantwortet:

Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der Fassung des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 in Verbindung mit Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind wie folgt auszulegen:

–        Wenn die vollstreckende Justizbehörde über Angaben verfügt, die das Vorliegen systemischer oder allgemeiner Mängel der Haftbedingungen in den Haftanstalten des Ausstellungsmitgliedstaats belegen, ist sie verpflichtet, die echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, der der Betroffene aufgrund seiner Haftbedingungen in der Haftanstalt, in der er wahrscheinlich inhaftiert sein wird, ausgesetzt wäre, unter Gesamtwürdigung aller hierfür maßgeblichen materiellen Aspekte der Haft zu beurteilen.

–        Besonderes Augenmerk muss die vollstreckende Justizbehörde auf die Mindestfläche des persönlichen Raums legen, über den der Betroffene während seiner Haft verfügen wird. In Ermangelung unionsrechtlicher Vorgaben ist dieser Faktor nach Maßgabe der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgelegten Untergrenze zu bestimmen, die aber keine absolute Untergrenze darstellt.

–        Bei der Bestimmung der Mindestfläche des dem Betroffenen zur Verfügung stehenden persönlichen Raums muss die vollstreckende Justizbehörde berücksichtigen, ob es sich bei der Zelle, in der der Betroffene wahrscheinlich untergebracht wird, um eine Einzel- oder um eine Gemeinschaftszelle handelt. Die Behörde hat den Raum, den das am Boden befindliche Mobiliar einnimmt, einzuschließen, die durch die Sanitärvorrichtungen eingenommene Fläche hingegen auszuschließen.

–        Geht aus den vom Ausstellungsmitgliedstaat übermittelten Informationen hervor, dass die Mindestfläche des dem Betroffenen zur Verfügung stehenden Raums 3 m² oder weniger beträgt, muss die vollstreckende Justizbehörde ermitteln, ob die übrigen materiellen Aspekte der Haft den Mangel an persönlichem Raum angemessen kompensieren und die Vermutung für einen Verstoß gegen Art. 4 der Charta widerlegen können. Insbesondere hat die Behörde zu prüfen, wie die Zelle, in der der Betroffene untergebracht werden wird, eingerichtet ist, ob die wesentlichen Leistungen und baulichen Anlagen der Haftanstalt allgemein angemessen sind, wieviel Bewegungsfreiheit der Betroffene hat und welches Angebot an Aktivitäten außerhalb der Zelle er wahrnehmen kann.

–        Bei der Beurteilung dieser verschiedenen Aspekte sind auf jeden Fall Dauer und Umfang der Einschränkung, die Art der Haftanstalt, in der der Betroffene untergebracht werden wird, sowie das Strafvollzugsregime, dem er unterworfen sein wird, zu berücksichtigen.

–        Die vollstreckende Justizbehörde kann auch gesetzgeberische und strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung des Strafvollzugs im Ausstellungsmitgliedstaat berücksichtigen. Angesichts ihrer allgemeinen Wirkung können diese Maßnahmen allerdings als solche nicht die echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung kompensieren, der der Betroffene aufgrund seiner Haftbedingungen in der betreffenden Haftanstalt ausgesetzt wäre.

–        Im Rahmen ihrer Beurteilung darf die vollstreckende Justizbehörde keine Abwägung zwischen einerseits dem Erfordernis, zu gewährleisten, dass der Betroffene keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta unterworfen wird, und andererseits den durch die Wahrung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung sowie die Wirksamkeit des dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegenden Systems bedingten Erfordernissen vornehmen.“

Die Entscheidung des EuGH bleibt weiterhin abzuwarten.

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Opferschutz: Neue EU-Rechtsvorschriften stärken Rechte von Verbrechensopfern

Europäische Kommission
Pressemitteilung
Luxemburg, 4. Oktober 2012

Opferschutz: Neue EU-Rechtsvorschriften stärken Rechte von Verbrechensopfern

Kommissionsvizepräsidentin und EU-Justizkommissarin Viviane Reding begrüßte heute die endgültige Verabschiedung neuer EU-Rechtsvorschriften, die den Rechtsschutz der geschätzten 75 Millionen Verbrechensopfer pro Jahr in der EU verbessern. Die EU-Richtlinie über den Opferschutz wurde heute vom Ministerrat verabschiedet, nachdem zuvor das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit (611 Ja-Stimmen bei 9 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen) das neue Regelwerk gebilligt hatte (MEMO/12/659). In der neuen EU-Richtlinie werden Mindeststandards für den EU-weiten Opferschutz festgelegt (siehe IP/11/585).
„Die Strafjustizsysteme der Mitgliedstaaten konzentrieren sich bisweilen zu sehr auf die Verfolgung Krimineller und vergessen dabei die Opfer. Mit den neuen EU-Rechtsvorschriften werden die Rechte von Opfern gestärkt. Niemand möchte einem Verbrechen zum Opfer fallen. Wenn dies jedoch geschieht, sollten die Betroffenen zumindest in der Gewissheit leben, dass sie EU-weit die gleichen grundlegenden Rechte genießen,“ erklärte Vizepräsidentin Viviane Reding. „Jährlich werden schätzungsweise 15 % der Europäer, d.h. 75 Millionen Menschen in der Europäischen Union Opfer eines Verbrechens. Bedenkt man weiter, dass 12 Millionen Europäer in einem anderen EU-Land wohnen und jährlich eine Milliarde Reisen in der EU zu verzeichnen sind, werden die neuen EU-Vorschriften in erheblichem Maße dazu beitragen, das Leid der Betroffenen zu lindern. Diese historische Leistung verdeutlicht eindrucksvoll, dass Europa sich tatsächlich für die Rechte der Bürger einsetzt.“
Hintergrund Die EU-Richtlinie über Mindeststandards für den Opferschutz war im Mai 2011 von der Kommission vorgelegt worden (IP/11/585 und MEMO/11/310). Ihre heutige Verabschiedung durch den Rat der EU folgte auf eine Abstimmung im Europäischen Parlament (MEMO/12/659). Zuvor war nach intensiven Verhandlungen unter Vermittlung der Europäische Kommission im Juni eine Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat erzielt worden. Die Mitgliedstaaten werden nach der Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt der EU drei Jahre Zeit haben, diese in nationales Recht umzusetzen.
Die neue EU-Richtlinie über Mindeststandards für den Opferschutz soll in den 27 EU-Staaten Folgendes gewährleisten:
  • Opfer werden respektvoll behandelt, Polizei, Staatsanwaltschaft und Richterschaft werden in einem angemessenen Umgang mit Opfern geschult.
  • Opfer werden in einer für sie verständlichen Form über ihre Rechte aufgeklärt und über ihren Fall informiert.
  • In allen Mitgliedstaaten ist für Opferhilfe gesorgt.
  • Opfer können sich auf Wunsch am Verfahren beteiligen und werden unterstützt, wenn sie dem Prozess beiwohnen wollen.
  • Besonders schutzbedürftige Opfer wie Kinder, Vergewaltigungsopfer oder Behinderte werden angemessen geschützt.
  • Opfer werden während der polizeilichen Ermittlungen und des Gerichtsverfahrens geschützt.

 

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Faire Strafverfahren: Belehrung wird EU-Gesetz

EU-Nachrichten:

27.04.2012

Jeder Europäer hat künftig das Recht auf Belehrung in Strafverfahren. Die Justizminister der EU-Mitgliedstaaten haben heute (Freitag) einem Vorschlag der Europäischen Kommission zu gestimmt. Sie stellt sicher, dass jede Person die in einem EU-Land festgenommen wird, oder gegen die ein Europäischer Haftbefehl ergeht, eine Rechtsbelehrung erhält. In der so genannten Erklärung der Rechte, werden die grundlegenden Rechte in Strafverfahren aufgelistet. Bisher gab es dieses Recht nur in einem Drittel der Mitgliedstaaten. „Das Recht auf ein faires Verfahren ist einer der Eckpfeiler unserer Justizsysteme in Europa“, erklärte Viviane Reding, Vizepräsidentin und für Justiz zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission. „Die neue EU-Richtlinie soll dazu beitragen, dass dieses Recht gewahrt wird und dass alle Betroffenen unmissverständlich und unmittelbar über ihre Rechte aufgeklärt werden. Wir haben mit großem Einsatz dafür gearbeitet, dass alle Bürger Zugang zur Justiz haben, egal, wo sie sich in der EU befinden. Heute ist eine wichtige Etappe auf unserem gemeinsamen Weg erreicht.“

Quelle: http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/10623_de.htm

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nulla poena sine lege

Scheinbar ist vielen dieses Prinzip nicht bekannt. Dabei ist es eines der Säulen der Rechtsstaatlichkeit. Art. 7 EMRK garantiert dieses Prinzip: Keine Strafe ohne Gesetz. Es besagt, dass niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden darf, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Da es sich nach dem EGMR-Urteil vom 17.12.2009 auch bei der Sicherungsverwahrung um eine Strafe i.S. von Art. 7 I EMRK handelt, stellt eine Verlängerung der Sicherungsverwahrung eine zusätzliche Strafe dar, die nachträglich auferlegt worden war. In dem beschiedenen Fall wurde der Beschwerdeführer noch nach altem Recht verurteilt, wonach eine Höchstdauer von 10 Jahren bei einer erstmalig angeordneten Sicherungsverwahrung galt. Im Jahre 1998 wurde diese Höchstgrenze gestrichen und § 67 d III StGB war nunmehr auch für die vor der Neuregelung angeordneten Fälle anzuwenden. Nach dem Grundgesetz gilt das absolute Rückwirkungsverbot für Strafen gem. Art. 103 II GG, jedoch ist dies auf Maßregeln der Besserung und Sicherung, wie die Sicherungsverwahrung nicht anwendbar. Dies hatte zur Folge, dass selbst Straftäter, die bei ihrer Verurteilung mit einem sicheren Ende nach höchstens 10 Jahren rechnen konnten, nunmehr unter Beweis setzen mussten, dass von ihnen tatsächlich keine Gefahr mehr ausgeht. Da dies jedoch schwer zu erfüllen ist, handelt es sich um eine der härtesten Maßnahmen, die nach dem StGB angewendet werden können.
Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nunmehr richtig feststellte lag folglich ein Verstoß gegen Art. 7 EMRK vor.
Nunmehr geht ein Aufschrei durch die Medien „Es ist exakt der Fall, den alle gefürchtet haben: Weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die deutsche Praxis der nachträglichen Sicherungsverwahrung untersagt und den Einspruch dagegen am letzten Dienstag zurückgewiesen hat, dürfen zahlreiche Täter jetzt auf Freiheit hoffen. Als einer der ersten profitierte davon Walter H., der nach einem entsprechenden Beschluss des Bundesgerichtshofs am Mittwoch aus der JVA Saarbrücken entlassen wurde.“ Die Unrichtigkeit dieser Entscheidung wird gerügt und die Angst vor potentiellen Verbrechern geschürt. Die Freilassung eines Kindsmörders, dessen Sicherungsverwahrung aufgrund dieser Entscheidung nicht mehr weiter aufrechterhalten werden konnte, mag zwar beängstigend sein. Aber, die Menschen sollten bedenken, dass die betroffene Person ihre Strafe erhielt und diese auch absaß, von einem Profitieren kann daher eigentlich keine Rede sein. Insbesondere sollte bedacht werden, dass die Umgehung des Rückwirkungsverbotes wesentlich beängstigender ist, denn wo bleibt dann die Rechtssicherheit, wenn jemand, der einmal verurteilt wurde, auf absehbare Zeit, mit einer Gesetzesänderung vielleicht für immer weggesperrt werden kann. Für die Zukunft Europas ist es zu wünschen, dass es nicht mehr zu einem solchen Fall mit dem dunklen Beigeschmack diktatorischer Zeiten kommt

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Fluchtgefahr bei EU-Ausländern

Die Fluchtgefahr kann nicht allein damit begründet werden, dass der/die Beschuldigte nicht in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft ist, denn genau einer solchen Ungleichbehandlung soll mit

dem Rahmenbeschluss 2009/829/JI des Rates vom 23.10.2009 über die Anwendung – zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union- des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft  entgegengetreten werden.

 

Insbesondere heißt es in dessen Begründung in Absatz 5, dass hinsichtlich der Inhaftierung von Personen, gegen die ein Strafverfahren anhängig ist, die Gefahr besteht, dass Personen mit Wohnsitz im Verhandlungsstaat anders behandelt werden als Personen mit Wohnsitz in einem anderen Staat; das heißt: Gebietsfremde laufen Gefahr, in Untersuchungshaft genommen zu werden, während Gebietsansässige unter gleichen Umständen auf freiem Fuß blieben. In einem gemeinsamen europäischen Rechtsraum ohne Binnengrenzen muss sichergestellt werden, dass eine Person, gegen die ein Strafverfahren anhängig ist und die ihren Wohnsitz nicht im Verhandlungsstaat hat, nicht anders behandelt wird als eine Person, gegen die ein Strafverfahren anhängig ist und die im Verhandlungsstaat wohnt. Weiter heißt es in Absatz 12: dieser Rahmenbeschluss sollte es ermöglichen, dass gegen die betroffene Person angeordnete Überwachungsmaßnahmen im Vollstreckungsstaat überwacht werden und zugleich ein ordnungsgemäßes Verfahren gewährleistet und insbesondere sichergestellt ist, dass die betroffene Person vor Gericht erscheint. Kehrt die betroffene Person nicht freiwillig in den Anordnungsstaat zurück, kann sie an diesen im Einklang mit dem Rahmenbeschluss 2002/5847JI des Rates vom 13.Juni 2002 über den europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten übergeben werden.
Bezüglich einer rahmenbeschlusskonformen Auslegung des nationalen Rechts wird auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache Strafverfahren gegen Maria Pupino (EuGH C-150/03, Slg. 2005, I-5285) hingewiesen, in welcher dieser erstmals eine unionsrechtlich begründete Pflicht mitgliedstaatlicher Gerichte feststellte, nationales Recht rahmenbeschlusskonform auszulegen. Daraus folgt für nationale Gerichte eine aus dem Unionsrecht fließende Verpflichtung, nationales Recht bei dessen Anwendung so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck des jeweils einschlägigen Rahmenbeschlusses auszulegen.

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